Der letzte Abend des Jahres (Silvester), 31. Dezember
Noch heute gruselt es viele Menschen, wenn an diesem
Abend
die Zukunft befragt wird, obwohl wir alle laengst
wissen,
dass viel Scherz und Hokuspokus dabei ist. Da wird
Blei
gegossen, Karten werden gelegt, Traeume gedeutet,
das
Liebesorakel wird befragt und das Wetter vorhergesagt.
Da werden Glueckssymbole verliehen, das Gluecksschwein,
der Gluecksklee und der Glueckspilz.
„Prosit Neujahr!“ heisst es um Mitternacht. Die wenigsten
ahnen, dass sie damit einem alten Studentenbrauch
folgen,
der zum ersten Mal fuer das Jahr 1711 belegt ist.
Die Studenten
wiederum konnten sich auf die alten Roemer berufen,
die
an Neujahr dem Gott Janus Wein opferten und dazu „Prosit!“
(es moege dir nutzen) riefen. Janus war fuer den Jahreswechsel
zustaendig, denn er trug zwei Gesichter. Nach links,
in die
Vergangenheit, blickte ein baertiger Greis,
nach rechts, in die Zukunft, ein Juengling.
Das traditionelle Getraenk fuer diese Nacht ist nicht
der Sekt,
der sich heute durchgesetzt hat. Er hat den Vorteil,
dass sich
der Knall beim Oeffnen der Flasche so gut mit dem
allgemeinen
Laerm vermischt, aber er war vor noch gar nicht allzu
langer
Zeit fuer die meisten viel zu teuer. Frueher trank
man statt
dessen Punsch, der ueber England den Weg aus Indien
zu uns fand.
Das haeusliche Feiern wird schliesslich, spaetestens
Punkt
Mitternacht, von dem allgemeinen Laerm unterbrochen,
der
gemeinsam von Feuerwerk und Kirchenglocken, Boellerschuessen
und Blasmusik, Kanonenschlaegen und Gesang verursacht
wird.
Vielerorts werden mit dem Silvesterabend die Rauhnaechte
abgeschlossen. Der „Heidenspektakel“ war urspruenglich
der
Versuch, boese Daemonen abzuwehren, er war ausserdem
und ist
noch heute Anlass zu allgemeiner Ausgelassenheit.
Frueher
wurde in dieser Nacht aus Flinten und Gewehren herumgeschossen,
was zu vielen Ungluecksfaellen fuehrte. Heute hat
das Feuerwerk
die Schiesserei weitgehend abgeloest. Es wurde anfangs
sogar
von der Obrigkeit gefoerdert, weil man es fuer ungefaehrlicher
hielt, was leider nicht unbedingt immer den Tatsachen
entspricht.
Der Tag hat seinen Namen von Papst Silvester, unter
dem das
Christentum zur roemischen Staatsreligion wurde
und der an diesem Tag im Jahre 335 starb.
( aus: Dieter Struss "Goldene Weihnacht"
Geschichten, Braeuche
und Rezepte von Advent bis ins neue Jahr, 1984 Verlag
Mensch und
Arbeit, Muenchen) |